Wirtschaftspolitik an der Schwelle zur Rezession

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Berlin, den 01.11.2021, Autor: Matthias Ilgen

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen allesamt damit, dass Deutschland im vierten Quartal 2022 in eine Rezession fallen wird, die sich mindestens noch im ersten Quartal 2023 fortsetzen wird. Hauptursache sind die gestiegenen Energiepreise in Folge des Ukrainekrieges und mit ihr eine galoppierende Inflation von zuletzt knapp zehn Prozent. Dies drückt erheblich auf die reale Kaufkraft der Verbraucher, die breitflächig reale Wohlstandsverluste hinnehmen müssen, weil Lohnerhöhungen, welche die Inflation voll ausgleichen würden, derzeit aufgrund der schwierigen Lage vieler Unternehmen nicht durchzusetzen sind. Diese leiden ebenfalls unter den dramatisch gestiegenen Energiepreisen; die Zahl der Insolvenzen nimmt erheblich zu.

Die Wirkungen auf die Ampel-Koalition sind nicht zu übersehen: Entgegen ihrem anfänglichen Motto „Mehr Fortschritt wagen“ und im völligen Kontrast zu der vertrauensvollen Atmosphäre in den Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr hatten sich die Partner über die Sommerpause medial in parteipolitischen Kabbeleien verstrickt, die allen drei Koalitionspartnern mehr schadeten als nützten. Die FDP musste die Umgehung der Schuldenbremse schlucken, die Grünen hingegen eine begrenzte Laufzeitverlängerung der drei am Netz verbliebenen Atomkraftwerke. Zuletzt musste der Bundeskanzler ein inszeniertes Machtwort sprechen, um diesen Minimalkonsens durchzusetzen und seinen beiden Koalitionspartnern – und nicht zuletzt auch sich selbst – weitere Gesichtsverluste zu ersparen.

Die über den Sommer verschleppten Entscheidungen zur Strom- und Gaspreisbremse – entsprechende Konzepte führender Ökonomen lagen seit Mai vor – führten zu einer weiteren erheblichen Verunsicherung der Verbraucher und Unternehmen, die nicht einschätzen konnten, wie hart genau sie die steigenden Energiepreise letztlich treffen würden. In der Folge trübte sich das Konsumklima weiter ein und drückte die Binnennachfrage – zuletzt immer die Stütze der deutschen Konjunktur – auf ein gefährlich niedriges Niveau.

Man muss einräumen, dass sich die Bundesregierung in einer wirtschaftspolitischen Zwickmühle befindet. Da auch die Kerninflation mittlerweile knapp fünf Prozent erreicht hat, ist der Handlungsspielraum des Staates für weitere üppige Ausgabenprogramme begrenzt. Was noch über die insgesamt 300 Mrd. Euro für die Rettungspakete sowie Strom- und Gaspreisbremse hinausgeht, droht die Inflation weiter anzuheizen. Gleichzeitig hebt die EZB weiter merklich den Leitzins an, was zu einem drastischen Anstieg der Zinsaufwendungen des Bundes bereits im Haushaltsjahr 2023 führt.

Es kommt nun darauf an, wie die Instrumente konkret ausgestaltet werden. Genau hier drohen die nächsten Streitigkeiten in der Koalition: Wem soll wann in welchem Umfang geholfen werden? Welche Ausnahmen sollen besonders energieintensive Betriebe von der Bäckerei bis zur Aluminium-Hütte bekommen? Hier sind schnelle, handhabbare Lösungen gefragt.

Die Erfahrung aus dem Sommer lehrt, dass Abwarten keine gute Strategie ist. Vielmehr sollten Unternehmen die Auswirkungen der diskutierten Regelungen analysieren und eine geeignete politische ad-hoc Strategie zu entwickeln, mit der sich die eigenen Interessen noch erfolgsversprechend in den politischen Prozess einbringen lassen – selbst wenn auf der politischen Bühne wieder Streit ausbricht. ALP unterstützt Sie gerne mit passenden Stakeholder-Analysen, politischen Strategiekonzepten und engen Kontakten in Parlament und Regierung. Bei Interesse an einem entsprechenden Angebot oder weiteren Fragen zu unseren Leistungen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren!

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