Wie baut man eine Regierung aus drei Parteien?

Parteien

Berlin, den 25.08.2021, Autor: Tilo Fuchs

Egal, wie Ende September die Wählerinnen und Wähler entscheiden – es ist absehbar, dass Deutschland auch weiterhin von einer Koalition regiert werden wird, die ein Bündnis über die klassischen Lagergrenzen hinweg ist. 

Als noch Schwarz-Gelb oder Rot-Grün regierte, war es für die Beteiligten nicht nur einfacher, sich auf einen Koalitionsvertrag zu einigen. Auch die Verteilung der Ressorts fiel selten besonders schwer. Ein „großes Haus“ (oder auch mal zwei) für den deutlich kleineren Partner, ein oder zwei Ministerien für dessen Kernthemen und – wo es sich anbietet – eine gewisse Balancierung über verwandte Häuser hinweg. 

So kam es zu grünen Umweltministern und liberalen Wirtschaftsministern, zu Innen- und Justizministern unterschiedlicher Farbe und zu einer parteimäßigen Trennung von Außen- und Verteidigungsministerium. 

Im Ergebnis führte dies zu zwei Effekten: Jede Partei konnte in ihren Kernthemen punkten – und der größere Partner war in der angenehmen Position, dass der kleinere nicht auf mehreren Feldern mit seinen oftmals radikaleren Plänen aktiv werden konnte. In der nächsten Bundesregierung wird sich das so kaum umsetzen lassen. 

Zum einen liegt das an der Größe der beteiligten Parteien. Lag früher der Unterschied zwischen groß und klein bei 30 oder mehr Punkten (selbst 2009 waren es noch rund zwanzig), so wird der Abstand zwischen der führenden Partei und den Koalitionspartnern eher im Bereich von zehn bis fünfzehn Punkten liegen. Die beiden kleineren Partner werden zusammen dabei genauso groß sein wie die Kanzlerpartei. 

Zum anderen wird es wohl auf eine lagerübergreifende Dreierkoalition hinauslaufen. Das bedeutet, dass es nicht nur Abstufungen zwischen den Zielen der Parteien gibt, sondern auch echte Gegensätze. Und es bedeutet, dass mindestens eine Partei mit dem Wunsch nach einer anderen Koalition in die nächste Wahl gehen dürfte, in der das eigene Lager durch einen weiteren Partner vertreten wäre.

Für die zahlenmäßige Verteilung und die Unterscheidung zwischen den „klassischen“ Ressorts (Außen, Innen, Finanzen, Verteidigung) und den anderen Häusern dürfte sich wenig ändern. Die Zahl der Kabinettssitze lässt sich kaum anders definieren als über das Wahlergebnis. Und mindestens eines der angesehenen Häuser wird jede Partei anstreben. 

Alles andere ist offen. Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze:

  • Gönnen können: Abseits der großen Ressorts erhalten alle Parteien diejenigen Ressorts, die am ehesten ihrem Profil entsprechen und die solche Politikfelder bearbeiten, mit denen sie bei ihren jeweiligen Wählerinnen und Wählern besonders punkten können. 
  • Catenaccio: Es kommt vor allem drauf an, dass Gegner bei der nächsten Wahl– übergangsweise als Koalitionspartner bekannt – kein Tor schießt. Es werden den Partnern also genau jene Häuser verweigert, aus denen heraus sie ihr Profil besonders gut schärfen könnten. Besondere Spielarten sind das „divide et impera“, bei dem der große Partner die beiden kleineren gegeneinander ausspielt. Oder die Variante „allein in der Wüste“, bei dem die beiden sich politisch näher stehenden Partner den dritten marginalisieren. 

Aus politischer Überzeugung und gerade am Ende eines harten Wahlkampfs ist die zweite Variante erst einmal die verführerische. Zudem spielt bei der Binnenperspektive einer Partei auch immer das Gefühl eine Rolle, dass die anderen unberechtigt Stimmen entführt haben. 

Etwas nüchterner betrachtet, ist es jedoch erfolgversprechender, das Regieren als Zugewinngemeinschaft zu sehen und nicht als Nullsummenspiel. 

Die führende Partei in einer Koalition sollte die große Oppositionspartei als Gegner bei der nächsten Wahl sehen. Hier liegen mehr Wachstumschancen als bei der Kannibalisierung der eigenen Mehrheit. Und auch das zynische Spiel des „divide et impera“ verstehen Wählerinnen und Wähler wohl schnell als Unfähigkeit des Bundeskanzlers, seinen Laden zu sortieren und zum Arbeiten zu bewegen. 

Auch die kleineren Parteien haben durch ein kooperatives Modell nur zu gewinnen. Zum einen werden sie auch bei einem Wechsel der Gesamtführung nach der nächsten Wahl wohl wieder zusammenarbeiten. Da hilft es wenig, sich zuvor zu zerstreiten. Und marginalisiert der Kanzlerpartei-nähere kleine Partner den anderen, treibt er deren Wählerinnen und Wähler in die Arme der Opposition. 

Entscheiden sich hingegen drei Partner, die sich kaum als gemeinsames politisches Projekt verstehen, sondern als Arbeitszusammenhang, stattdessen für Kooperation, dürfte durch die Erfolge der Regierung ihr Ansehen steigen – und damit auch ihre Wiederwahlchancen. Die inhaltliche Fokussierung auf die eigenen Kernthemen bindet genau die Wähler, die ihre Entscheidung von diesen Issues abhängig machen. Und wird nun de Politik eines Koalitionspartners auf seinem Kerngebiet von der Wählerschaft nicht goutiert, dann ist die Verantwortung auch geklärt – und schlägt sich an der Urne nieder statt bei der Krisensitzung im Koalitionsausschuss. 

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